„Gute Beifahrer sind Mangelware“

9. Juli 2018

Warum der aktuelle deutsche Vizemeister Marcel Faustmann in dieser Saison der Konkurrenz hinterherfährt

Im Vorjahr fuhr Seitenwagen-Pilot Marcel Faustmann vom MSC Aichwald mit Beifahrer Max Frech beim Motocross in Aichwald vorne mit, in diesem Jahr fährt er nur hinterher. Marcel Faustmann hadert ein bisschen. Mit sich selbst und mit der Welt. Im Vorjahr fuhr der Seitenwagen-Pilot des MSC Aichwald mit Beifahrer Max Frech beim Motocross in Aichwald aufs Podium und wurde deutscher Vizemeister – in diesem Jahr fährt der Weilheimer der Konkurrenz hinterher. „Ist schon bitter, wenn die Jungs, die man bislang locker hinter sich gelassen hat, plötzlich an einem vorbeibrausen“, sagt der 31-Jährige. Nach der Qualifikation als 15. gestartet, landete Faustmann im drittletzten Rennen zur deutschen Seitenwagenmeisterschaft auf der Strecke „In den Horben“ nur auf Platz zwölf.

Das freie Training am Samstag war allerdings auch die erste Trainingseinheit mit seinem Beifahrer Ronny Benning, denn mit seinen Co-Piloten hatte Faustmann zuletzt mächtig Pech. Max Frech musste nach einer schweren Schulterverletzung den Motocross-Helm an die Nagel hängen, der Nachfolgekandidat verletzte sich ebenfalls. Die erneute Suche nach einem Beifahrer gestaltet sich schwierig. „In Aichwald starte ich nur, weil es mein Heimatverein ist“, erklärt Faustmann. Weitere Rennen sind in dieser Saison nicht geplant. Mit dem Brandenburger Benning im Team ist der Weilheimer aber immerhin schon mal zwei Jahre lang gefahren. Man kennt sich. „Da habe ich ihn gefragt, ob er runterkommt, und er ist kurzfristig eingesprungen“, so Faustmann.

Ständiger Balanceakt

Der quirlige Benning selbst ist mittlerweile 42 Jahre alt und will eigentlich kürzer treten. „Der Sport geht schon auf die Knochen“, erklärt der Brandenburger. Er sorgt seit Jahren als Beifahrer bei verschiedenen Piloten für das richtige Gleichgewicht. Reaktionen im Sekundentakt. Immer kurz bevor die Balance verloren geht. Wenn der Fahrer den nächsten Hügel anvisiert und das Motorrad samt Seitenwagen abhebt, beginnt sein Job. Als Beifahrer muss er für den nötigen Halt sorgen, das Gefährt im Lot halten, Kurven ermöglichen. Waghalsigkeit im Dauermodus.

„Der Reiz, ein Motorrad zu zweit zu steuern ist groß“, sagt Benning. Er ist dem Seitenwagensport seit Kindesbeinen verfallen. „Gute Beifahrer sind allerdings Mangelware“, meint Faustmann. Und der Schuster bleibt auch meist bei seinen Leisten. So will Beifahrer Benning ebenso wenig ans Steuer, wie sich Pilot Faustmann in den Seitenwagen stellen. „Klar, ich habe es als Beifahrer mal ausprobiert. Aber als Lenker bin ich besser“, sagt Faustmann. Und Benning ergänzt: „Die ganzen Schalter am Lenker verwirren mich, ich habe schon immer lieber für die richtige Balance gesorgt.“

Zu dem Sport gehört aber noch mehr . Unzählige Trainingsrunden auf Strecken in ganz Deutschland, Kraft- und Konditionstraining. Und auch der Arbeitgeber muss mitspielen – mit Seitenwagenrennen verdient sich keiner eine goldene Nase. Zwischen 50 000 bis 60 000 Euro werden pro Saison verpulvert. „Wenn es gut läuft, ist die Hälfte des Etats durch Sponsorengelder abgedeckt“, sagt Faustmann. Er hat den Vorteil, dass ihm das komplette Equipment wie der fahrbare Untersatz mit integrierter Werkstatt und Schlafmöglichkeiten sowie das Gespann, eine Spezialanfertigung aus den Niederlanden, selbst gehört. Zudem kann er als KFZ-Meister an seiner Maschine selbst Reparaturen erledigen.

Während der von April bis September laufenden Saison ist alles genau durchgetaktet. „Unter der Woche arbeiten. Am Rennwochenende Freitag Abend anreisen, Samstag und Sonntag fahren, Sonntag nachts heimfahren, Montag morgens zur Arbeit, Montag abends ausladen, putzen und reparieren“, zählt Faustmann auf. Das geht an die Substanz. Da muss auch die Familie mitziehen. So gehört seine Ehefrau neben Beifahrer, Mechaniker und Manager fest zum Team. Sie plant das Catering für die gesamte Mannschaft und kümmert sich um die Unterkünfte. Zudem gehört seit eineinhalb Jahren auch ein Babyphon zur Standardausstattung – Töchterchen Mila ist fast immer mit dabei, wenn der Papa fährt. „Das ist aber nicht schlimm – im Motorsport sind wir wie eine Familie, man trifft sich während der Rennserie immer wieder“, sagt Faustmann. In der nächsten Saison will der 31-Jährige mit neuem Beifahrer wieder ganz vorne angreifen: „Ganz oder gar nicht heißt die Devise beim Seitenwagenrennen. Nur die aktuelle Serie 2018 klammern wir mal aus“, grinst Faustmann.

Artikel vom 09.07.2018 © Eßlinger Zeitung

Text: Kerstin Dannath
Foto: Jens Körner
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